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Ein für Demenz spezifisches Bakterienprofil könnte bei der Früherkennung helfen
Die Darmflora verrät die Alzheimer-Krankheit-Mikroben als Warnzeichen: Die Zusammensetzung der Darmflora eines Menschen kann Aufschluss darüber geben, ob er an Alzheimer im Frühstadium erkrankt ist oder nicht. Denn ein deutsches Studienteam hat herausgefunden, dass Demenz mit einer deutlich veränderten bakteriellen Ökologie und deren Stoffwechselprodukten im Darm zusammenhängt. Dieses mikrobielle Profil könnte bei der Früherkennung der Alzheimer-Krankheit helfen und den Weg für probiotische Therapieverfahren ebnen.
Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz bei älteren Menschen, wird aber oft zu spät diagnostiziert. Das liegt daran, dass es nur wenige objektive, einfach zu testende Indikatoren für eine zunehmende Verschlechterung des Gehirns gibt. Wissenschaftler haben in jüngster Zeit eine Reihe von Methoden entwickelt, um die Alzheimer-Krankheit anhand von Gehirnströmen oder Blutproben in einem frühen Stadium zu erkennen.
Die Darmflora verrät die Alzheimer-Krankheit-Den Darm auf Spuren untersuchen
Christoph Laske und Kollegen von der Universität Tübingen haben nun einen weiteren Biomarker für Alzheimer entdeckt. Für ihre Studie wählten sie einen Weg, der sie vom Gehirn wegführte: die Darmflora. Tierversuche und Beobachtungen an Demenzpatienten lieferten die ersten Hinweise auf Veränderungen in der Bakteriengemeinschaft von Alzheimer-Patienten. Ähnliche Unregelmäßigkeiten wurden in Tierversuchen beobachtet, bevor sich die für die Alzheimer-Krankheit diagnostischen Amyloid-Plaques im Gehirn bildeten.
Um mehr zu erfahren, untersuchten die Forscher Stuhlproben von 75 Personen mit leichter Alzheimer-Krankheit und 100 gesunden Menschen. Mithilfe der Shotgun-Metagenomik-Sequenzierung konnten sie feststellen, welche Bakterienarten im Darm der Teilnehmer vorhanden waren und welche Verbindungen durch die Aktivitäten dieser Mikroorganismen im Darm gebildet wurden.
Die Darmflora hat sich sowohl taxonomisch als auch funktionell verändert
Die Forscher entdeckten signifikante Unterschiede in der Darmflora von Alzheimer-Patienten und gesunden Kontrollpersonen. Die Forscher beobachteten Veränderungen in der Zusammensetzung von 18 Hauptbakterienarten, von denen 76 bis 61 Prozent nur bei Alzheimer-Patienten vorkommen. Bei Demenzkranken wurden bestimmte Bakterien aus der Gruppe der Proteobakterien in sehr hoher Zahl identifiziert.
Laske und seine Kollegen entdeckten auch funktionelle Moleküle: Mit rund 77 Prozent Genauigkeit konnten sie eine Alzheimer-spezifische Biosignatur in mikrobiellen Stoffwechselprozessen nachweisen. Aldehyd-Dehydrogenase, ein neuroprotektives Enzym, und ein Zuckertransportprotein, das mit Beta-Amyloid-Ablagerungen in Verbindung gebracht wird, erwiesen sich bei den Individuen als besonders aktiv.
Eine mikrobiologische Signatur kann als diagnostisches Verfahren eingesetzt werden
Den Forschern zufolge könnte die Integration dieser zweiteiligen Darmsignatur mit zusätzlichen Daten zu Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index und einer Genmutation im Apolipoprotein-E-Gen ihre Anwendbarkeit erhöhen. Die Genauigkeit des Darmfloratests stieg dann auf 80 bis 92 Prozent.
Diese Ergebnisse untermauern die Idee, dass Magen und Gehirn bei der Alzheimer-Krankheit untrennbar miteinander verbunden sind. Ob das Gehirn von der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium betroffen ist, spiegelt sich folglich in der Darmflora wieder. “Wir haben eine Alzheimer-Signatur in der Darmmikrobiota entdeckt, die dazu dienen kann, Amyloid-positive Alzheimer-Patienten von gesunden Kontrollpersonen zu unterscheiden”, fügt Laske hinzu.
Die Darmflora verrät die Alzheimer-Krankheit Probiotika bei der Alzheimer-Krankheit?
Es ist jedoch unklar, wie stark die Darmflora den Hirnstoffwechsel beeinflusst und wie sich die Neurodegeneration auf die Darmmikrobiota auswirkt. Erste Daten aus Studien an Mäusen zeigen jedoch, dass eine Veränderung der Darmflora die Bildung von Amyloid-Plaques im Gehirn der Tiere verringern kann. Auch eine Behandlung mit Probiotika hat bei Alzheimer-Patienten vielversprechende Ergebnisse gezeigt.
Daher ist das Forschungsteam der Ansicht, dass solche Strategien mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei realen Patienten von Nutzen sein werden. “Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Veränderung der Darmmikrobiota eine neue und eigenständige Methode zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit darstellen könnte”, sagt Laske. “Die Wirksamkeit einer solchen Behandlungsstrategie muss jedoch in zukünftigen Forschungen weiter untersucht werden.
Foto: AdobeStock 182681986 / Von Alex