Alzheimer Risiko- Warum Frauen mit größerer Wahrscheinlichkeit an Alzheimer erkranken
Es ist erwiesen, dass Frauen im Vergleich zu Männern ein deutlich höheres Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken. Weltweit leiden etwa 1,2 Millionen Menschen an dieser heimtückischen Krankheit, und zwei Drittel von ihnen sind Frauen. Da das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, mit dem Alter zunimmt, wurde lange Zeit angenommen, dass Frauen aufgrund ihrer höheren Lebensdauer viel häufiger an dieser Krankheit leiden. Heute gehen immer mehr Fachleute davon aus, dass die Ursachen in geschlechtsspezifischen Unterschieden, insbesondere im Hormonhaushalt, liegen, die dazu führen, dass Frauen häufiger an Alzheimer erkranken. Die genauen Zusammenhänge sind jedoch noch nicht abschließend untersucht worden. Zum Internationalen Frauentag am 8. März informiert Alzheimer-Heute.de über die Hintergründe.
Es ist bekannt, dass der Stoffwechsel und der Hormonhaushalt von Frauen anders sind als der von Männern. Die weiblichen Sexualhormone, insbesondere die Östrogene, sowie das Verhältnis von Progesteron und Östrogen sind für die Reproduktionsfähigkeit der Frau verantwortlich. Darüber hinaus spielen Östrogene auch eine wichtige Rolle im Neurotransmitter-Stoffwechsel im Gehirn und sind somit auch an kognitiven Prozessen im weiblichen Gehirn beteiligt, was Alzheimer-Forscher veranlasst hat, nach Ursachen in den weiblichen Geschlechtshormonen zu suchen. Östrogene regulieren die Arbeit der Mitochondrien, die als Kraftwerke die Zellen mit der nötigen Energie versorgen und den Fluss der Impulse zwischen den Nervenzellen unterstützen. Darüber hinaus trägt die Substanz zum Schutz und zur besseren Durchblutung der Nervenzellen bei und verhindert die Ablagerung der für die Alzheimer-Krankheit charakteristischen Amyloid-Plaques.
In den Wechseljahren ändert sich der Hormonhaushalt der Frau drastisch. Die Östrogenproduktion geht stark zurück. Da die Östrogene die Nervenzellen nicht mehr ausreichend mit Energie und Schutz versorgen können, leiden einige Frauen kurzfristig unter Symptomen, die die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen können, wie Gedächtnisprobleme, Vergesslichkeit und Verwirrung. Mittelfristig werden diese hormonellen Veränderungen jedoch zu einem Alzheimer-Risiko für die Alzheimer-Krankheit. Dies haben die Neurowissenschaftlerinnen Roberta Diaz Brinton, Direktorin des Center for Brain Science Innovation an der University of Arizona, und Lisa Mosconi, Direktorin der Women’s Brain Initiative und Leiterin der Alzheimer Prevention Clinic am Weill Medical College in New York, in verschiedenen Studien nachgewiesen.
In diesem Kontext ist auch die Dauer der reproduktiven Phase bei Frauen von Bedeutung. Frauen, die seit 21 bis 34 Jahren gebärfähig sind, haben ein um 26 % höheres Risiko, an Demenz zu erkranken, als Frauen mit einer Reproduktionszeit von 39 bis 44 Jahren. Dies deutet darauf hin, dass ein spätes Einsetzen der Menstruation oder eine frühe Menopause das Alzheimer-Risiko erhöhen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des US-Krankenversicherers Kaiser Permanente, die 2019 in der Zeitschrift Neurology publiziert wurde.
Es ist nach wie vor umstritten, ob eine Hormonersatztherapie das Alzheimer-Risiko verringern kann. Studien haben gezeigt, dass es darauf ankommt, ob die künstlichen Hormone im richtigen Zeitabstand eingenommen werden. Wird die Hormonersatztherapie zeitnah zum Ausbleiben der Menstruation begonnen, scheint sie sich positiv auszuwirken. Eine späte Hormontherapie kann sogar das Alzheimer-Risiko erhöhen. Bei der Hormonersatztherapie wird der durch die Wechseljahre verursachte Hormonmangel künstlich mit Medikamenten ausgeglichen.
Weitere Risikofaktoren für die Alzheimer-Krankheit bei Frauen sind Diabetes, Depressionen, Hirntrauma, Fettleibigkeit, Infektionen und chronische Entzündungen. Es stimmt, dass diese Zustände das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, auch bei Männern erhöhen. Bei Frauen scheinen diese gesundheitlichen Probleme jedoch einen größeren Einfluss auf den kognitiven Abbau zu haben. Zu diesem Schluss kommt die Neurowissenschaftlerin Lisa Mosconi, die zahlreiche Studien speziell zu diesen Risikofaktoren für die Entschlüsselung der Alzheimer-Krankheit bei Frauen gesammelt und analysiert hat.
Schon seit einigen Jahren wächst der Eindruck, dass die Medizin zu einseitig den Mann als Maßstab nimmt. In den meisten Studien waren die Teilnehmer überwiegend Männer, und die Ergebnisse wurden einfach mechanisch auf Frauen übertragen. Infolgedessen wirken viele Therapien bei Frauen nicht so gut oder verursachen stärkere Nebenwirkungen als bei Männern. Seit einigen Jahren berücksichtigt die so genannte Gender-Medizin diese genderspezifischen Besonderheiten bei der Entwicklung und Behandlung von Krankheiten. Ziel dieser geschlechtersensiblen Medizin ist es, eine bessere und angemessenere Therapie für Frauen anzubieten.