Inhaltsverzeichnis
Mit einem Trocknungstest lassen sich abnorme Amyloid-Beta-Proteine nachweisen
In Zukunft könnte das Muster eines getrockneten Probentropfens Aufschluss darüber geben, ob eine Person an Alzheimer im Frühstadium erkrankt ist. Die Forscher haben gezeigt, dass das Vorhandensein von fehlgefalteten Amyloid-Beta-Proteinen das Trocknungsmuster der Lösung auf eine besondere Weise verändert. Erste Experimente haben gezeigt, dass ein trainierter Algorithmus diesen “Fingerabdruck” mit 99 % Genauigkeit identifizieren kann, ohne dass aufwendige Vorbereitungs- oder Verarbeitungstechniken erforderlich sind.
Die am weitesten verbreitete neurodegenerative Erkrankung im Alter ist die Alzheimer-Krankheit. Allerdings ist die Degeneration der Gehirnzellen häufig schon weit fortgeschritten, wenn eine Diagnose gestellt werden kann. Das liegt daran, dass es immer noch an objektiven, einfach zu testenden Biomarkern für die Früherkennung mangelt. Zwar können Gehirnströme, Darmflora und Bluttests Frühindikatoren für Demenz aufzeigen. Diese Techniken befinden sich jedoch noch in der Testphase und erfordern häufig komplizierte Schritte und Instrumente.
Trockene Flecken als Anzeichen, vielleicht?
Azam Jeihanipour und Jörg Lahann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben eine Technik entwickelt, mit der sich krankhaft veränderte Amyloid-Beta-Proteine in Blut- oder Liquor-Proben schnell und damit möglicherweise auch einfacher nachweisen lassen. Solche fehlgefalteten Beta-Amyloide werden als Vorläufer der Alzheimer-Krankheit angesehen. Da sie im Gehirn nicht ausreichend abgebaut werden können, lagern sie sich zusammen und schädigen die Neuronen und führen schließlich zu deren Tod.
Die neue Technik basiert auf Flecken, den so genannten “Kaffeeringen”, die zurückbleiben, wenn eine trockene Lösung eine Oberfläche berührt. Die chemischen Eigenschaften der Komponenten sowie die dreidimensionale Faltung und Struktur der Proteine haben einen erheblichen Einfluss auf die Bildung solcher Trockenflecken. Jeihanipour und Lahann zufolge “reichen die veröffentlichten Fleckenmuster von Peptid- und Proteinlösungen von homogenen Filmen über verzweigte und gitterartige Muster bis hin zu komplizierteren Gruppierungen.”
Amyloidtröpfchen im Test
Um zu sehen, ob sich gesunde und pathologische Beta-Amyloid-Varianten auch anhand dieses Trocknungsmusters unterscheiden lassen, lösten die Forscher verschiedene Beta-Amyloid-Varianten in einer Bikarbonat-Pufferlösung und trugen jeweils zwei Mikroliter davon als Tröpfchen auf eine zuvor speziell beschichtete Glasoberfläche auf. Danach wurden die Tröpfchen 40 Minuten lang in einer kontrollierten Umgebung getrocknet.
Das Ergebnis sind zwei millimetergroße trockene Flecken, die bei Betrachtung mit dem Polarisationsmikroskop ein markantes Muster aufweisen. Die Salzkristalle der Pufferlösung haben sich vor allem in der Mitte der Flecken abgelagert, während Peptide und Salzkristalle meist einen einheitlichen Rand an den Außenkanten der Flecken gebildet haben. In der Zwischenzone lassen sich jedoch verzweigte Strukturen finden, die sich von innen nach außen erstrecken und für jede Peptidvariante einzigartig zu sein scheinen.
Die Forscher stellen jedoch fest, dass es aufgrund ihres ähnlichen Aussehens schwierig sein könnte, diese Muster mit dem bloßen Auge zu unterscheiden. Daher nahmen sie die Hilfe eines adaptiven Algorithmus in Anspruch. Für das Training dieses Deep-Learning-Systems wurden insgesamt 400 Fotos von Färbemustern für jede Amyloid-Variante verwendet. 720 frische Fotos der acht Peptidkonfigurationen wurden dann von dem System getrennt klassifiziert.
99 Prozent Genauigkeit
Und tatsächlich konnte das KI-System allein anhand der trockenen Flecken die Struktur und Faltung der Beta-Amyloid-Ketten unterscheiden und kategorisieren. Lahann: “Die Fleckenmuster waren nicht nur unverwechselbar und wiederholbar, sondern führten auch zu einer Kategorisierung mit einer Vorhersagegenauigkeit von über 99 Prozent.” Angesichts der Ähnlichkeit der Strukturen und der Schwierigkeit, sie mit bloßem Auge zu unterscheiden, war der Erfolg der neuronalen Netze etwas unerwartet.
Die Forscher behaupten, dass dies zeigt, dass diese Methode auch die vielen Amyloid-Variationen im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit erkennen kann. Laut Lahann sind die Amyloid-beta-Peptid-Farbmuster wie Fingerabdrücke, die die strukturelle und räumliche Identifizierung des Peptids erkennen lassen.
Foto: KIT Karlsruher Institut für Technologie